Rot-weisser Schornstein mit Rauch vor blauem Himmel

In Luft aufgelöst? Zum Ende der Abfallverbrennung…

Wie hoch wäre der Beitrag zum Klimaschutz, wenn nach der Abschaltung von Atom- und Kohlekraftwerken auch die Müllverbrennungsanlagen vom Netz gehen? Das Ökoinstitut e. V. hatte bereits 2014 berechnet, dass im Jahr 2050 nur noch 10 Anlagen zur thermischen Abfallbehandlung nötig sein würden, um den ärgsten Dreck in Luft aufzulösen.  Aber wie gedenkt die Abfallverbrennung ihre eigene Transformation zu vollziehen? Gibt es Perspektiven für chemisches Recycling der Rohstoffe, die heute durch den Schornstein gejagt werden? Diese Frage habe ich nur einen Tag nach der Europawahl anlässlich des 20 jährigen Jubliläums mit der ITAD, dem Verband der Abfallverbrenner in Deutschland, diskutiert.

 

Grafik mit Industriegebäude und Wolke

Das Europawahlergebnis hat gezeigt: Die junge Generation verlangt schnelleres Handeln beim Klimaschutz. Und wir, die Älteren tragen Verantwortung für die Zukunft der Jugend. Die Zukunft ist das Privileg der Jugend. Deshalb lautete meine Frage an die Manager der Abfallverbrennungsanlagen in Deutschland auch, wie sie dieser Forderung gerecht werden wollen. Immerhin stoßen die Anlagen 14 Mio. Tonnen CO2 aus. Es wäre doch eine gute Idee, diese Klimaeinsparung vorzunehmen?!

Die thermische Abfallbehandlung kann sich auf heiße Zeiten gefasst machen, das wurde an diesem Wochenende nach der Europawahl deutlich. Die „Fridays for Future“ sind nur eine Ausprägung des Drucks, der auf die Abfallverbrenner zukommt. Nach der Abschaltung von Atom- und Kohlekraftwerken sollen als nächstes die thermischen Abfallbehandlungsanlagen vom Netz gehen, die Weichen dafür hat sogar die EU-Kommission schon gestellt.  Bei der EU liegt eine Verordnung über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen (Taxonomy) auf dem Tisch. Sie bedeutet umgekehrt für Klimaschädliche Technologien, wie Energy-to-Waste Anlagen, dass diese nicht mehr finanziell gefördert werden. Dami ist das Ende der Abfallverbrennung programmiert. Werfen wir also einen Blick auf den Prozess des Ende der Abfallverbrennung:

Fünf Trends und fünf Thesen zum Ende der Abfallverbrennung:

Trend Nummer 1: Die grüne Transformation ist nicht zu stoppen!

Die thermische Abfallverbrennung kann sich der Entwicklung nicht entziehen. Im Gegenteil. Die Abfallverbrennung ist schon immer Teil der grünen Transformation. Sie hat für das Ausschleusen giftiger Stoffe gesorgt. Die Deponierung von Abfällen schadet der Umwelt und dem Klima noch mehr, insbesondere weil Methan frei wird und damit um den Faktor 23 mehr klimaschädliche Gase emittiert werden. Leider gibt es kein weltweites Verbot von Deponien. Aber immer mehr Länder lehnen es ab, den Müll anderer zu beseitigen, weil sie die Konsequenzen verstehen. Nicht zuletzt China oder Malaysia, die Plastikmüll zurück in ihre Herkunftsländer schicken. Das hat zur Folge, dass auch in Deutschland die Verbrenner reichlich zu tun haben. Zudem führte die Gewerbeabfallverordnung dazu, dass immer mehr Müll bei den Verbrennern landet. Hier liegt also Arbeit vor den Innovationsmanagern der Circular Economy.

Zudem sind generell sind die Zeiten heiß: Die globale Stimmung hat eine scharfe Tonalität. Die Globalisierung und Machtstellung durch globale Konzerne löst alte koloniale Ansprüche ab. Neue Monopol- oder Oligopolstrukturen werden aber von heterogenen, periodischen Restrukturierungen einer ungleichzeitigen Moderne in ihrer Entfaltung gestört. Sichtbar ist das durch das Auftreten immer neuer disruptiver Technologien und einer Goldgräberstimmung gleich, ein disruptives Geschäft machen zu können. Die Frage gelungenen Innovationsmanagements liegt längst bei der EU-Kommission auf dem Tisch!

Gleichzeitig hat die Intensivierung der Naturnutzung zugenommen. Der Ressourcenverbrauch ist kaum in den Griff zu kriegen. Exponentielles Wachstum der industriellen Stoffströme bestimmt die Wirtschaft und gleichzeitig wachsen Abfallberge, werden die Ozeane mit Plastik zugemüllt und emittieren CO2 als Abfall in die Atmosphäre. Die Komplexitätssteigerung funktionaler Differenzen kennt auch fast keine Grenzen mehr. Zumindest überfordern diese das menschliche Denkvermögen. Nicht jedoch die Szenarien moderner Computer.

Grafik mit drei blauen Zahnrädern

Wenn wir der  Beobachtung des Ökonomen Kontratieffs folgen, der die langen Wellen ökonomischer Auf- und Abschwünge beobachtet hat, kommen wir zu einer interessanten Erkenntnis, die wohl wissenschaftlich auch noch der Aufbereitung bedarf. Kontratieff hat die volkswirtschaftlichen Auswirkungen von Technologien wie der Dampfmaschine, des elektrischen Stromes, der Erfindung des Individualverkehrs durch das Auto uva. hinreichend beschrieben.  Die volkswirtschaftlichen Veränderungen durch Green Technologies verändert längst die globalen Wachstumsmärkte. Und das kommt auch bei der Bevölkerung an, die nicht zuletzt direkt davon profitiert, weil sie eine bessere Lebensqualität hat oder mit Green Tech ihr Geld verdient.

Wellengrafik mit Text

Die kurzen Wellen der Modernisierung durch Circular Economy stellen sich politisch so dar, wie in dieser Folie dargestellt. Es ist klar, dass die Welle statt in 30-40 Jahren Abstand nun in einem Zyklus von 10 Jahren zu beobachten ist. Das entspricht den schnellen Zyklen der Transformation.

Wellengrafik mit Bildern und Text

Nicht zuletzt wurden diese Entscheidungen durch den Druck von der Straße mit betrieben. Das Schaubild zeigt die Symbole der politisch/technischen Bewegung. Da der Zyklus ebenfalls in 10 Jahresabständen zu sehen ist, wäre damit der Ausstieg der Thermischen Abfallverbrennung sogar im nächsten Jahrzehnt zu erwarten. Das zeigt auch Trend Nummer Zwei.

Wellengrafik mit Bildern Trend Nummer 2: Der Handlungsdruck nimmt weltweit zu

Die Weltbevölkerung steigt weiter, die Wirtschaft wächst, städtische Einwohnerzahlen steigen ebenso wie der Energiehunger, Wassernutzung, Anforderungen an die Mobilität oder Telekommunikation. Und gleichzeitig wird der Druck auf die Umwelt immer krasser: Der Klimawandel schreitet voran, das Artensterben ist Atem beraubend, in vielen Ländern ist Trinkwasser giftig oder die Luft zu staubig, um zu atmen. Der Druck ist längst bei den Menschen angekommen und sie wehren sich. Das ist sowohl an der Unterstützung für Umweltparteien einerseits und einem bewahrenden Reflex und Zunahme nationalistischer Parteien andererseits eindeutig. Eine ausgewogene Transformationsstrategie muss den Ausgleich von Stimulanz und Resonanz jedoch beherrschen. Von Ausgewogenheit kann gerade weltweit nicht die Rede sein, die geopolitischen Machtverhältnisse verteilen sich völlig neu. China ist der erwachte Riese und gibt sich als grüne Weltbewahrer, die USA bewahren nationalistisch und kapseln sich ab, der Nahe Osten steht kurz vor einer Explosion.

Rot- und grünweisse Kachel auf dunklem Hintergrund

Trend Nummer 3:

Die Nachhaltigkeit ausgestalten

17 Kachel für 17 Nachhaltigkeisziele

Quelle: Vereinte Nationen

Geschäftsmodelle, welche die Nachhaltigkeit ignorieren sind über kurz oder lang tot. Andererseits braucht die Nachhaltigkeit neue Businessmodelle, die leicht verständlich sind. 17 Nachhaltigkeitszeile konfliktfrei umzusetzen ist kaum einem Unternehmen geschweige denn einer Regierung möglich. Soviel Realismus muss sein!

Die Nachhaltigkeitsziele gleichen eher mit einem „Grundgesetz“ einer globalen grünen Agenda. Das heißt dann jedoch auch, dass alles an ihnen ausgerichtet werden sollte. Im Einzelfall muss vor Ort das Richtige getan werden, um einem oder bestimmten Nachhaltigkeitszielen eine besondere Bedeutung oder einen Schwerpunkt zu verleihen. 70 Jahre Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland haben gezeigt, wie eine gesellschaftliche Entwicklung verlaufen kann, wenn eine klare Orientierung die Grundlage allen Handelns ist. In diesem Falle sind die Nachhaltigkeitsziele nur keine nationale sondern eine globale Angelegenheit. Das föderale Prinzip hat Deutschland bei der Entwicklung nicht geschadet, also kann auch global Nachhaltigkeit ohne ein globale politische Macht gelingen. Daran sollten wir weiter arbeiten.

Trend Nummer 4: Die Circular Economy bietet ein neues ökonomisches Modell!

Bunte Kachel und Text „Material Economics“ wurden stark unterschätzt und sind wissenschaftlich völlig vernachlässigt worden. Aber nun sind sie gerade wiederentdeckt worden, weil die Probleme durch Ressourcenmangel nicht übersehen werden könne. Zudem funktioniert die ökonomische Umverteilung nicht nur über Umverteilung von Wertausgleichen, Spekulation oder Handel, sie hat viel mit staatlichen Instrumenten und auch Steuern zu tun. Sie passiert jedoch ganz real über den Austausch von Material und Ressourcen.

Die Vereinten Nationen haben dies erkannt und die Circular Economy als Ziel auf ihre Agenda gesetzt. Der ökonomische Unterbau ist längst mit verschiedenen ökonomischen Theorien und naturwissenschaftlichen Erkenntnissen der Performance Economy, durch Ansätze des RESOLVE-Prinzips oder Circularity-Kalkulation, Biomimicry oder Cradle-to-Cradle geliefert. Bisherige ökonomische Schulen, die ausschließlich auf Gewinnmaximierung, Kurvendiskussionen und statische mathematische Modelle gerichtet waren, werden durch Methoden des Systems Thinking, Scenarios mittels moderner IT-Systeme oder künstliche Intelligenz überholt. Vielfältige Innovationen und disruptive Technologien zeigen, dass es anders geht.

Der Circularity Faktor zeigt, dass unsere Ökonomie ist nur zu 9 % zirkulär ist. 91 % allen Materials gehen in die Umwelt zurück – und eben nicht in neuerliche Stoffströme, sondern wie das CO2 einfach in die Atomosphäre…..

Trend Nummer 5: Die Zukunft der Chemie ist offen!

Das haben alle Verbände bereits deutlich gemacht. Ob Chmieindustrie mit dem Strategiepapier Chemie 4.0, der BDI, der die Klimapfade für Deutschland beschreibt, die Dechema, die CO2-Auswirkungen für die Chemie nach Sektoren analysiert, das BMBF mit dem 7. Energieforschungsprogramm oder UBA Forschungsprojekte für 2019 – die CO2-Speicherung, notwendige Funktionen für CO2-Senken werden in den Mittelpunkt gerückt und Treibhausgasminderung wird zum Ziel erklärt.

Große Auswirkungen werden in den Bereichen Elektromobilität, der Digitalisierung der Landwirtschaft, der industriellen Biotechnologie oder Leichtbau im Automobil erwartet. Neue Chemikalien werden bereits kategorisiert und nach Anwendungsfreundlichkeit klassifiziert. Raffiniert X kann zum Schlagwort werden und kennzeichnet die neue Wege der Nutzung biogener Rohstoffe.

Kreuzdiagramm mit Text

 

Hieraus ergeben sich nun fünf Thesen:

 These Nummer 1:

Müllverbrennung und TextDie Abfallverbrennung ist nach wie vor eine tragende Säule im Prozess der Abfallbehandlung. Sie stellt für viele Gifte und Abfälle Entsorgungssicherheit her. In ihr verschwinden viele Probleme unserer Konsumgesellschaft. Aber es verbleiben auch hier 45 % als Asche, Schlacke, Salze, Stäube und nicht zuletzt klimaschädlichem CO2.

These Nummer 2:

Das Konzept der Circular Economy und Ökodesign Cradle-to-Cradle macht die Abfallverbrennung überflüssig. Sobald alle Materialien, die nicht recycelt werden können und als giftig gelten, aus dem Verkehr gezogen wurden, wird sie nicht mehr gebraucht. Der Zeitpunkt dafür nähert sich. Bis zum Jahr 2050 sollen nur 10 Abfallanlagen in Deutschland noch dafür notwendig sein und dies auch nur, weil diese rechtzeitig auf effiziente Methoden der Nahwärmenutzung gesetzt haben.

 

These Nummer 3:

Tabelle mit kleinen Bildern und HäkchenDie thermische Abfallverbrennung braucht eine Zukunftsstrategie. Ohne Strategie kann in transformativ angespannter Lage kein ökonomisches Überleben gewährleistet werden. Um „Stranded Assets“ in den Bilanzen zu vermeiden, gilt es, alsbald strategische Entscheidungen zum Retten oder zur Kompensation der Assets zu treffen. Im Falle einer Kompensation wird Kapital für Neuinvestitionen möglich. Die Entwicklung einer neuen Chemie wird genau diese benötigen. Die Frage steht also an, ob die Betreiber der thermischen Abfallbehandlung sich vorstellen können, ihre Geschäftsvision auf „chemische Abfallumwandlung“ zu ändern?

These Nummer 4:

Die Transformation braucht einen Business-Case! Die Innovation liegt in der Technologie. Welche chemischen Stoffe sind markttauglich aus den Abfällen, die in den kommenden Jahren in die TAB gehen, zu gewinnen? Welche Kenntnisse liegen über die Zusammensetzung von Abfällen für die kommenden Jahre vor? Wie wird der Abfall zusammengesetzt sein? Welche neuen Zusammensetzungen können strategisch erreicht werden? Welche Studien müssen heute dafür vorgenommen werden, um Szenarien entwickeln zu können? Was wissen Sie heute noch nicht, zeichnet sich aber gesellschaftlich schon als Trend ab?

Grafische Bilder von Fabriken, Wolke, Blitz

These Nummer 5:

Den neuen Weg kann die thermische Abfallbehandlung nicht alleine gehen. Die Entwicklung von Szenarien braucht wissenschaftliche Partner, welche in der Lage sind, die Entwicklung der Chemieindustrie zu beobachten, einzuschätzen und supplementäre Stränge der Entwicklung zu skizzieren. Jede Kompensation und Investition wird politisch verhandelt werden müssen und braucht klare Visionen für einzelne Sektoren. Deshalb ist auch die Politik gefordert. Ein Klimaschutzgesetz für Deutschland muss das berücksichtigen. Es ist nun an der Zeit, diesen Weg zu gestalten.

Foto Greta und grafische Treppe

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